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Fokussieren mit Leica M


Leica Messsucher

Fokussieren mit Leica M ist ein Ritual, das sich so sehr vom Autofokus moderner Systemkameras unterscheidet, dass viele Neulinge es zunächst für umständlich halten. Doch wer ein paar Grundprinzipien verinnerlicht, merkt schnell, dass das manuelle Scharfstellen über den Messsucher nicht nur präzise, sondern geradezu meditativ sein kann. Das Herzstück dabei ist das helle Leuchtrahmenfenster mit seinem charakteristischen Doppelbild. Sobald du den Fokusring drehst, wandern die beiden Teilbilder aufeinander zu oder voneinander weg; in dem Moment, in dem sich beide deckungsgleich überlappen, hast du punktgenau scharfgestellt.

Die größte Umstellung beim Fokussieren mit Leica M besteht darin, dass du nicht durchs Objektiv, sondern über einen separaten optischen Pfad schaust. Dadurch bleibt der Sucher auch bei lichtschwachen Summilux- oder Noctilux-Optiken klar, denn er wird nicht von der eingestellten Blende abgedunkelt. Gleichzeitig musst du aber Parallaxen- und Bildfeldkorrektur beachten: Je näher dein Motiv, desto weiter verschiebt sich der tatsächliche Bildausschnitt nach unten links im Sucherfenster. Leica löst das elegant mit automatisch einrastenden Leuchtrahmen und einem sanften Nachführmechanismus, doch es lohnt sich, bei Motiven unter einem Meter Abstand bewusst etwas „über“ das Ziel zu zielen, damit es am Ende nicht angeschnitten wird.

Fokussiermethoden – Leica M
Methode Funktionsprinzip Vorteile Ideal für …
Messen oder Schätzen Entfernung visuell abschätzen und am Skalenring einstellen; erfordert Erfahrung oder Entfernungstabellen.
  • Superschnell, kein Sucherblick nötig
  • Ineinemhellen oder dunklen Umfeld nutzbar
Street-Situationen, Konzert­fotografie, Reportage
Arbeiten mit dem
Messsucher
Doppelbild im Rangefinder deckungsgleich bringen; mechanisch gekoppelter Fokusring.
  • Präzise bei offener Blende
  • Sucher bleibt hell, kein Abdunkeln durch Blende
  • Batterieunabhängig
Porträts, Dokumentation, Tageslicht-Reportage
Fokussieren mit Bildschirm
oder EVF
Live-View oder Aufsteck-EVF mit Fokus-Peaking/Lupe; Entfernungs­messer wird umgangen.
  • Makro & Tele über Adapter möglich
  • 100 % Bildfeld, keine Parallaxe
  • Hilfreich bei Messsucher-Dejustage
Makro, Studio, Stativeinsatz, Video-Clips
Zonenfokus &
Fokus-Falle
Tiefenschärfeskala nutzen; Auslöser halb drücken und Motiv in die Schärfezone laufen lassen.
  • Reaktions­schnell, kein Nachfokussieren
  • Ideal für Bewegung im Nahbereich
  • Spart Akku bei digitalen Modellen
Street, Skate-Park, Events, Kinder & Haustiere
Bodydance zur
Feinjustierung
Nach grobem Vorfokus minimal vor- oder zurück­lehnen, bis Doppelbild exakt deckt.
  • Feintuning bei 1 m & offener Blende
  • Komposition bleibt stabil
Schnelle Porträts bei f/1,4 oder f/1,2
Tipps & Tricks
  • „Snap-Back“: Fokus überschießen, zurückziehen → Spiel neutralisieren
  • Messsucher regelmäßig kalibrieren lassen
  • Weichzeichner-Patch erhöht Doppelbild-Kontrast bei Gegenlicht
  • Lichtstarke 28 / 35 mm bei f/8 als Allround-Zone-Setup
Reise & Reportage

Wer regelmäßig mit lichtstarken Objektiven bei f/1,4 arbeitet, sollte das „Snap-Back-Fokussieren“ üben: Fokus leicht überschießen, dann langsam zurückziehen, bis sich die Doppelkontur perfekt deckt. Auf diese Weise neutralisierst du Spiel im Messgetriebe und triffst selbst bei minimaler Schärfentiefe sicher. Übrigens: Wenn das Doppelbild nicht messerscharf ist, könnte dein Messsucher dejustiert sein – eine Justage beim Servicepartner bringt oft mehr als jede Fokus-Peaking-Hilfe am Monitor.

Ein weiterer Schlüssel zum schnellen Fokussieren mit Leica M ist Zone- und Hyperfokaltechnik. Stell bei 28 mm f/8 die Entfernung auf 3 m und du erhältst von knapp 1,5 m bis unendlich alles ausreichend scharf – perfekt für Street-Fotografie, bei der sich keine Zeit zum genauen Einmessen bietet. Diese Methode funktioniert dank der Entfernungs- und Tiefenschärfeskalen, die Leica noch immer fein graviert.

Digitale M-Modelle wie die M10 oder M11 bieten zusätzlich ein hochauflösendes Live-View- und EVF-Peaking. Das erweitert die Einsatzmöglichkeiten, ersetzt aber nicht den Charme des optischen Messsuchers. Viele Anwender nutzen deshalb eine Hybrid-Routine: Grobes Vorfokussieren mit dem Messsucher, Feintuning über die elektronische Lupe – vor allem bei Makro-Zwischenringen oder adaptieren Fremdoptiken.

Am Ende ist Fokussieren mit Leica M nicht langsamer, sondern bewusster. Das haptische Feedback des Metallfokusrings, das zarte „Klack“ der Fokusarrete und das finale Zuschnappen des Doppelbilds machen jede Aufnahme zu einem kleinen, greifbaren Erfolgsmoment. Beherrscht du diese Technik, entsteht ein natürlicher Flow: Kamera zum Auge, Fokusring drehen, Bild deckt sich, Auslöser – und das alles in weniger als einer Sekunde. Genau darin liegt die Magie, die Leica-Fotografen seit Generationen begeistert.

Stefan Strößenreuther

Stefan Strößenreuther

Ich fotografiere bevorzugt analog – mit Kleinbild- und Mittelformatsystemen, weil ich die bewusste Herangehensweise, das entschleunigte Arbeiten und die handwerkliche Qualität des Mediums schätze. Für mich ist Fotografie nicht nur ein technischer Prozess, sondern ein kreativer Dialog mit Licht, Motiv und Material. Die Begrenzung auf 12 oder 36 Aufnahmen zwingt zur Konzentration – jedes Bild ist eine Entscheidung.