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Radquartier Kirchenlamitz

Das Radquartier Kirchenlamitz war über Jahre hinweg ein kreativer Schmelztiegel für Actionsport, Jugendkultur und Industriecharme. Untergebracht in den Backsteinhallen der ehemaligen Winterling-Porzellanfabrik, wurde der Ort zum Magnet für BMX-, Mountainbike- und Scooter-Fans aus ganz Oberfranken – und weit darüber hinaus. Seit 2022 ist das Gelände still. Die Rampen sind abgebaut, die Tore geschlossen. Doch die Erinnerung lebt – und mit ihr die Bilder.

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Für meine Dokumentation setzte ich auf die Mamiya 645AFD III, eine analoge Mittelformatkamera, die moderne Bedienung mit klassischer Filmästhetik verbindet. Belichtet wurde auf Kodak TRI-X 400 Rollfilm (120), einem Schwarzweißklassiker mit Charakter: feines Korn, hoher Dynamikumfang, weiche Schatten, kräftige Kontraste. Gerade in der Halle, wo Licht durch staubige Fenster fällt, schafft dieser Film genau die Tiefe, die digital oft zu glatt wirkt.

Die Kombination aus verlassener Industriearchitektur und der haptischen Schwere der Kamera zwang mich zu einer bewussten Auseinandersetzung mit Raum und Struktur. Jedes Bild wurde einzeln komponiert – Ausmessen, manuelles Fokussieren, das gespannte Warten auf einen Lichtmoment. Kein Serienbild-Modus, kein Live-View – nur Kamera, Licht und der eigene Blick.

Das Ergebnis: eine Serie von 6×4,5-Negativen, die nicht laut sind, sondern leise erzählen. Vom knirschenden Boden, vom Rost, vom Licht auf grauem Beton. Und vom Echo jugendlicher Energie, die sich durch Rampen und Graffiti ins Mauerwerk eingeschrieben hat.

Das Radquartier Kirchenlamitz war nicht einfach nur eine Halle mit Rampen – es war ein Raum für Begegnung, Training, Wagnis und Gemeinschaft. Die ehemalige Fabrik war der perfekte Kontrast: verwitterte Fenster, alte Heizkörper, offene Stahlträger – und mittendrin junge Menschen, die mit dem Rad die Schwerkraft aushebelten. Diese Mischung aus Verfall und Lebendigkeit war einzigartig und inspirierend für jede Linse.

2022 kam das Aus. Wirtschaftliche Faktoren, rechtliche Auflagen und infrastrukturelle Hürden führten zur endgültigen Schließung. Was bleibt, ist ein Stück regionaler Jugendkulturgeschichte – und mein persönliches Anliegen, diesen Ort mit fotografischen Mitteln festzuhalten, bevor die Spuren verblassen.

Die Mamiya 645D erlaubte es mir, in diesen stillen Momenten nach dem Trubel Details sichtbar zu machen: die Texturen der Wände, Lichtspiele durch gebrochene Fenster, die Struktur des Hallenbodens – alles mit einem Maß an Tiefe, das der Stimmung dieses „Lost Place“ gerecht wird.

Das Radquartier Kirchenlamitz ist Vergangenheit – aber nicht vergessen. In Bildern, Erinnerungen und Gesprächen bleibt es lebendig. Für viele war es mehr als ein Ort zum Fahren: Es war ein Lebensgefühl. Und genau das wollte ich mit meiner Kamera sichtbar machen.

Stefan Strößenreuther

Stefan Strößenreuther

Ich fotografiere bevorzugt analog – mit Kleinbild- und Mittelformatsystemen, weil ich die bewusste Herangehensweise, das entschleunigte Arbeiten und die handwerkliche Qualität des Mediums schätze. Für mich ist Fotografie nicht nur ein technischer Prozess, sondern ein kreativer Dialog mit Licht, Motiv und Material. Die Begrenzung auf 12 oder 36 Aufnahmen zwingt zur Konzentration – jedes Bild ist eine Entscheidung.